In Teil 1 unserer Beitragsreihe zum Thema Blei im Korrosionsschutz geben wir Ihnen einen Überblick über geltende Richtlinien und Verordnungen zur Gefahreneinstufung von Blei und zum Einsatz oder Ersatz von Blei, die den Bereich Korrosion und Korrosionsschutz betreffen. In den darauffolgenden Teilen beleuchten wir die Auswirkungen dieser Regelungen auf den Einsatz bzw. Ersatz von Blei in unterschiedlichen Branchen.
Der vielfältige Einsatz von Blei im Korrosionsschutz
Blei fand im Korrosionsschutz historisch gesehen vielerlei Anwendungen. Beim Feuerverzinken (Stückverzinken) war Blei von Anfang an als Begleitelement in der Zinkschmelze. Dabei wurde erkannt, dass es den Verzinkungsprozess in mehrfacher Hinsicht positiv beeinflusst. Es bewirkt die Herabsenkung der Oberflächenspannung der Zinkschmelze und eine bessere Benetzung der zu verzinkenden Teile. Zudem schützt Blei die Verzinkungskessel gegen einen zu starken Angriff der Zinkschmelze. Weiterhin waren Beschichtungen mit bleihaltigen Pigmenten (v.a. Bleimennige-Grundbeschichtungen) bis ca. Ende der 1970er Jahre zum Korrosionsschutz im Stahlbau weit verbreitet, da ihre Korrosionsschutzperformance außergewöhnlich war. Darüber hinaus wird Blei auch heute teilweise noch zur Verbesserung von Legierungs- und Bearbeitungseigenschaften in Kupferlegierungen oder auch Stahl eingesetzt.
Gefahreneinstufung von Blei
Mit zunehmendem Bewusstsein für die Umwelt- und Gesundheitsgefahren von Blei – etwa die Toxizität und die Gefahr der Kontamination von Produkten und Abwässern – wurden jedoch strengere gesetzliche Vorschriften erlassen, die den Einsatz von Blei in industriellen Produkten und Prozessen stark einschränkten oder ganz untersagten. Die Grafik gibt einen kurzen Überblick über Verordnungen, die deutliche Auswirkungen auf den Einsatz von Blei im industriellen Maßstab hatten.
In der Grafik ist einerseits die Entwicklung des Grenzwertes von Blei im Trinkwasser in blau veranschaulicht, welcher in Deutschland in der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) vorgegeben wird und unmittelbaren Einfluss auf die im Trinkwasser zugelassenen Werkstoffe und deren Blei-Gehalt hat.
In rot sind andererseits die Verordnungen auf nationaler und auf EU-Ebene zum Einsatz von Blei in Beschichtungen, Metallen oder metallischen Überzügen hervorgehoben, welche im B2B-Bereich in erster Linie Mitteilungs- und Informationspflichten bzw. verschärfte Vorgaben für den Arbeitsschutz mit sich bringen.

Ein Verbot gilt derzeit für die Abgabe von Produkten mit Blei-Gehalten oberhalb definierter Grenzwerte an Verbraucher (REACH) sowie für bleihaltige Farben und Beschichtungen (REACH) und Elektro- und Elektronikprodukte mit zu hohen Blei-Gehalten (RoHS). Es ist aber zu erwarten, dass insbesondere im Zusammenhang mit der Einstufung von Blei als umweltgefährlich, reproduktionstoxisch und seitens der ECHA als besonders Besorgnis erregender Stoff (SVHC, engl. Substances of Very High Concern) zukünftig weitere Beschränkungen für den Einsatz bleihaltiger Komponenten eintreten werden.
Aufatmen für Umwelt und Gesundheit, herausfordernder Umbruch für die Industrie
Infolge der aus Aspekten des Umweltschutzes und der Gesundheit wünschenswerten Gefahreneinstufung von Blei standen betroffene Industriezweige vor der Herausforderung des Ersatzes von Blei durch andere, weniger bedenkliche Legierungselemente, die aber trotzdem eine ähnliche Wirkung wie Blei erzielen sollten. Die Auswirkungen der Blei-Reduzierung bzw. des Blei-Ersatzes für die im „schweren“ Korrosionsschutz hauptsächlich relevanten Bereiche Verzinken und Beschichten werden wir in den folgenden zwei Beiträgen separat beleuchten. In einem weiteren Beitrag werden wir auf den Einfluss des reduzierten Blei-Grenzwerts im Trinkwasser auf den Einsatz von Kupferlegierungen in Sanitärarmaturen und -fittingen eingehen.
Im Detail: Welche Verordnungen und Richtlinien gelten konkret für die Gefahreneinstufung von Blei und den Einsatz von Blei?
Die nachfolgende Auflistung enthält einen Auszug der geltenden Verordnungen und Richtlinien mit Auswirkungen auf den Einsatz von Blei, chronologisch sortiert nach deren Inkrafttreten.
- 01.07.2003: AltfahrzeugV 1 zur Umsetzung der Richtlinie 2000/53/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000
Verbot von Blei in Werkstoffen und Bauteilen von Fahrzeugen mit Ausnahme von u.a.:- Stahl (inklusive Stahl mit einem Zinküberzug) mit einem Bleianteil von bis zu 0,35 Ma-%
- Kupferlegierungen mit einem Bleianteil von bis zu 4 Ma-%
- 18.12.2006: EG-VO Nr. 1907/2006 (REACH) 2
Verbot von Bleicarbonat (Bleiweiß) und Bleisulfat in Farben - 16.12.2008: EG-Verordnung Nr. 1272/2008 (CLP) 3
Kennzeichnungspflicht für bleihaltige Gemische mit > 0,15 Ma-% Blei - 08.06.2011: Richtlinie 2011/65/EU (RoHS) 4
Verbot von Elektro- und Elektronikgeräten mit > 0,1 Ma-% Blei mit Ausnahmen für u.a.:- Blei in Stahl und in verzinktem Stahl mit ≤ 0,35 Ma-% Blei
- Kupferlegierung mit einem Massenanteil von bis zu 4 % Blei
- 13.05.2015: EU-Verordnung 2015/628 zur Änderung von Anhang XVII der REACH-Verordnung 5
Verbot der In-Verkehr-Bringung von Produkten, die von Kindern in den Mund genommen werden könnten und ≥ 0,05 Ma-% Blei enthalten mit der Ausnahme von u.a. Messinglegierungen (Pb ≤ 0,5 Ma-%) - 01.03.2018: 9. Änderung der CLP-Verordnung, Anhang VI Teil 3 6
Einstufung von Blei-Pulver (Partikeldurchmesser < 0,1 mm) bzw. Gemischen, die Blei-Pulver mit einem Gehalt von ≥ 0,03 Ma-% enthalten und massivem Blei (Partikeldurchmesser ≥ 0,1 mm) bzw. bleihaltigen Legierungen mit einer Blei-Konzentration von ≥ 0,3 Ma-% als reproduktionstoxisch; Verbot der Abgabe derartiger Produkte an Endverbraucher - 27.06.2018: ECHA 7
Blei auf Kandidatenliste der besonders Besorgnis erregenden Stoffe (SVHC, engl. Substances of Very High Concern) - 01.03.2022: 15. Änderung der CLP-Verordnung, Anhang VI Teil 3 8
Einstufung von Bleipulver (Partikeldurchmesser < 1 mm) als umweltgefährlich - 01.09.2025: Delegierte EU-Verordnung zur Änderung von Anhang VI Teil 3 der CLP-Verordnung 9
Einstufung von massivem Blei (Partikeldurchmesser ≥ 0,1 mm) als umweltgefährlich
Mehr Beiträge aus unserer Reihe „Blei im Korrosionsschutz“:
- Verordnung über die Überlassung, Rücknahme und umweltverträgliche Entsorgung von Altfahrzeugen (Altfahrzeug Verordnung – AltfahrzeugV) (1997). URL: https://www.gesetze-im-internet.de/altautov/AltfahrzeugV.pdf
- Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission. URL: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:136:0003:0280:de:PDF
- Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP). URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:32008R1272
- Richtlinie 2011/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten. URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011L0065
- Verordnung (EU) 2015/628 der Kommission vom 22. April 2015 zur Änderung von Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) hinsichtlich Blei und seiner Verbindungen. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R0628
- Verordnung (EU) 2016/1179 der Kommission vom 19. Juli 2016 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen zwecks Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt. URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32016R1179
- ECHA: „Liste der für eine Zulassung in Frage kommenden besonders besorgniserregenden Stoffe“. URL: https://echa.europa.eu/de/candidate-list-table/-/dislist/details/0b0236e182607ea6
- Delegierte Verordnung (EU) 2020/1182 der Kommission vom 19. Mai 2020 zur Änderung des Anhangs VI Teil 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen zwecks Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt. URL: eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32020R1182&from=DE
- Delegierte Verordnung (EU) 2024/197 Der Kommission vom 19. Oktober 2023 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 hinsichtlich der harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung bestimmter Stoffe. URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L_202400197



