Blei in Beschichtungen – Teil 4 der Reihe „Blei im Korrosionsschutz“

In unserer Reihe „Blei im Korrosionsschutz“ befassen wir uns mit der Bedeutung von Blei für unterschiedliche Fachgebiete des Korrosionsschutzes und den Auswirkungen der Reduzierung von Blei-Grenzwerten auf betroffene Branchen. Teil 1 fasst die wichtigsten Richtlinien und Verordnungen zur Gefahreneinstufung von Blei zusammen. Im darauffolgenden Teil 2 steht das Thema bleifrei Verzinken im Mittelpunkt. In Teil 3 gehen wir auf das Thema Blei im Trinkwasser ein. Nun widmen wir uns im Teil 4 mit dem Schwerpunkt „Blei in Beschichtungen“ einem hochrelevanten Thema für den Korrosionsschutz und die Sanierung schadstoffbelasteter Altbeschichtungen

Bleiverbindungen und andere Schadstoffe in Altbeschichtungen

Warum Blei in Beschichtungen noch heute ein Problem darstellt

Bleiverbindungen wie Bleiweiß und Bleimennige waren bereits in der Antike bekannt. Als farbgebende bzw. aktiv korrosionsschützende Pigmente wurden sie in Korrosionsschutzfarben seit Mitte des 19. Jahrhunderts über 140 Jahre hinweg eingesetzt. Es gibt kaum eine historische Stahlbrücke oder -konstruktion, die nicht eine Bleimennige-Grundbeschichtung trug oder trägt.

Aufgrund ihres hohen reproduktionstoxischen und karzinogenen Potenzials sind Beschichtungen mit Blei in Europa verboten. Die einzige Ausnahme bildet hier die Verwendung für originalgetreue Sanierungsarbeiten im Denkmalschutz. Längst haben aber vergleichbare, bleifreie Alternativen bei Korrosionsschutzbeschichtungen Einzug gehalten. Dennoch bildet Blei in Beschichtungen und andere Schadstoffe bei Sanierung oder Abriss älterer Stahlbauwerke auch heute noch ein zentrales Risiko.

Gefährliche Freisetzung von Schadstoffen bei Sanierung und Abriss

Bis Anfang der 1990-iger Jahre wurden Stahlbauwerke üblicherweise mit Beschichtungsstoffen geschützt, welche oft in nicht unerheblichen Konzentrationen Substanzen enthielten, die heute als gefährliche Schadstoffe eingestuft sind und somit in Beschichtungen nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Beim Abstrahlen solcher Altbeschichtungssysteme zum Zweck der Sanierung oder beim Abriss und Trennschleifen/Brennschneiden kommt es zwangsläufig zur Bildung und Freisetzung staubförmiger, schadstoffhaltiger Partikel. Diese liegen dann in einer bezüglich des Arbeits- und Umweltschutzes sehr gefährlichen, z.B. lungengängigen, Form vor, so dass diese Arbeiten zwingend reglementiert werden müssen.

Traditionelle Korrosionsschutzpigmente und ihre modernen Alternativen

In der Vergangenheit hatten Pigmente wie Bleimennige, Bleiweiß, Blei- und Zinkchromat oder Bindemittel wie Teer-Epoxidharze im Zusammenspiel mit Asbest wichtige Aufgaben in Korrosionsschutzbeschichtungen. Blei-, Zink- und Chromverbindungen (häufig als gefährliches Chrom-VI) wurden einerseits als preiswerte und beständige Farbpigmente, andererseits als hervorragend wirksame Korrosionsschutzpigmente in Beschichtungen eingesetzt. Heute übernehmen v.a. der Zinkstaub und das Zinkphosphat letztere Aufgabe. Ihr historisches Pendant war oft die Bleimennige, ein typischer Vertreter für Blei in Beschichtungen. Zum Beispiel erhielt die in Bild 1 dargestellte Golden Gate Bridge ihre charakteristische Farbe von der Bleimennige-Erstbeschichtung.

Beispiel für Blei in Beschichtungen: Die Golden Gate Bridge erhielt ihre charakteristische Farbe von der Bleimennige-Erstbeschichtung
Bild 1: Die Golden Gate Bridge, ein Beispiel für Blei in Beschichtungen, erhielt ihre charakteristische Farbe von der Bleimennige-Erstbeschichtung

Bei der Entnahme von Beschichtungsproben an historischen Stahlbauwerken stellt man oft fest, dass Bleimennige-Grundbeschichtungen selbst nach 100 Jahren noch fest auf dem Stahlsubstrat haften. Heute wird der Korrosionsschutz mit modernen, bleifreien Beschichtungssystemen realisiert, z.B. nach Blatt 100 gemäß TL KOR – Stahlbauten, Anhang A5.

Gefährdungspotenzial von Blei in Beschichtungen und weiteren Schadstoffen

Tabelle 1: Gefährdungspotenzial, Funktion und Einsatzzeitraum relevanter Schadstoffe in Altbeschichtungen
(Tipp: In Mobiler Ansicht bitte den Bildschirm drehen.)

VerbindungGefährdungspotenzial / GHS-Einstufung 1; 2Funktion in BeschichtungenApplikation von Beschichtungsstoffen mit dieser Verbindung bis 3; 4
Bleimennige
Blei(II,IV)-oxid
Pb3O4
karzinogen Kat 2
reproduktionstoxisch Kat 1A
Spezifische Zielorgan-Toxizität (wiederholte Exposition) Kat 1
Korrosionsschutz-PigmentBleimennige auf der
Basis von Alkyd oder Öl bis 1991, auf der Basis EP bis 1985
Bleiweiß
Basisches Bleicarbonat Pb3(CO3)2(OH)2
reproduktionstoxisch Kat 1A
Spezifische Zielorgan-Toxizität (wiederholte Exposition) Kat 2
Pigmentca. 1974
Zinkchromat
(Zinkgelb)
ZnCrO4
Chrom sechswertig
karzinogen Kat 1AKorrosionsschutz-Pigment1980
Bleichromat
(Chromgelb)
PbCrO4
Chrom sechswertig
karzinogen Kat 1B
reproduktionstoxisch Kat 1A
Spezifische Zielorgan-Toxizität (wiederholte Exposition) Kat 2
Korrosionsschutz-Pigment1980-iger Jahre
Teer-EP/PAK
(Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe)
Leitsubstanz Benzo(a)pyren:
karzinogen Kat 1B
reproduktionstoxisch Kat 1B
keimzellenmutagen Kat 1B
Bindemittelzusatz bewuchsmindernd
v.a. im Stahlwasserbau
1996 bzw. 1991
Asbestkarzinogen Kat 1A
Spezifische Zielorgan-Toxizität (wiederholte Exposition) Kat 1
Füllstoff, Stellmittel (abrasiver Widerstand)
v.a. im Stahlwasserbau
1995
PCB
(Polychlorierte Biphenyle)
Spezifische Zielorgan-Toxizität (wiederholte Exposition) Kat 2Weichmacher
u.a. im Stahlwasserbau
1995

Sanierung, Abriss/Rückbau von Stahlbauwerken mit Schadstoff-belasteten Altbeschichtungen

Arbeitsschutz- und Umweltrisiken durch Blei in Altbeschichtungen

Sowohl bei der Sanierung als auch beim Abbruch/Rückbau älterer Stahlbauwerke kommt es beim Abstrahlen einer schadstoffhaltigen Beschichtung oder beim Trennschleifen/Brennschneiden der Teile zur teils massiven Freisetzung kleinster Beschichtungspartikel und damit der gefährlichen Schadstoffe. Deshalb spielen hier einerseits der Arbeitsschutz und andererseits der Schutz der Umwelt vor dem Eintrag dieser Substanzen eine übergeordnete Rolle. Beide Bereiche sind gesetzlich streng geregelt.

Die Freisetzung der belasteten Beschichtungspartikel muss örtlich stark begrenzt werden, z.B. durch

Das macht Blei in Beschichtungen zu einer der kritischsten Herausforderungen im Korrosionsschutz.

Gesetzliche Grundlagen und technische Regeln für den Umgang mit kontaminierten Altbeschichtungen

Detaillierte Informationen zum Gefährdungspotenzial durch die einzelnen Substanzen und Gemische und zu den gesetzlich vorgeschriebenen Arbeits- und Umweltschutzmaßnahmen beim Umgang mit kontaminierten Altbeschichtungen sind u.a. folgenden Gesetzen und Regelwerken zu entnehmen:

„2.2.1 Schadstofferhebung/Voruntersuchung der Beschichtungsstoffe
Vor Beginn eines jeden Abbruchs bzw. Teilabbruchs oder jeder Instandhaltungs- oder Sanierungsarbeit (im Sinne des Anhangs II Nr. 1 der GefStoffV) an stahl- und maschinenbaulichen Anlagen und Betonflächen mit Verdacht auf asbest- und/oder PAK- und/oder blei- und/oder PCB-haltigen Beschichtungsstoffen ist eine Probeentnahme und Analyse der potenziell schadstoffbelasteten Beschichtungsstoffe durchführen zu lassen. Grundsätzlich ist zu unterstellen, dass Beschichtungsstoffe, welche bis 1995 im Bereich der baulichen (insbesondere stahl(wasser)baulichen) Anlagen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) und auch sonstiger Anlagenbetreibenden hergestellt wurden, asbesthaltig sein können und häufig auch in Kombination mit Blei und/oder PAK und/oder PCB… auftreten können.“

Diese Probeentnahmen und Analysen sowie v.a. die fachkundige Einordnung und Interpretation der Ergebnisse sollten ausschließlich von Fachleuten durchgeführt werden, die ihre Erfahrung auf diesem Gebiet nachweisen können.

Die unabhängigen Fachleute und Gutachter der CorroConcept Korrosionsschutz Dresden GmbH führen solche Untersuchungen schon seit vielen Jahren durch. Wir unterstützen Sie daher sehr gern bei solchen Problemstellungen.

Entsorgung von kontaminiertem Strahlschutt – Regelsysteme und Strahlschuttanalyse

Bedeutung von Blei in Beschichtungen für die Planung und Ausschreibung von Sanierungsarbeiten

Bezüglich der Entsorgung des anfallenden Strahlschutts bei Sanierungsarbeiten an älteren Stahlbauwerken sind zwei Problemstellungen relevant:

  • Abschätzung des Entsorgungsweges für die Ausschreibung (Leistungsbeschreibung) der Arbeiten und
  • Bestimmung des tatsächlichen Entsorgungsweges über eine spätere Deklarationsanalyse am real angefallenen Strahlschutt

Fehlende Daten erfordern vorherige Analysen auf Schadstoffe wie Blei in Beschichtungen

Einstufung und Vorgaben der Deponieverordnung

Eine erfolgreiche Zuordnung des betreffenden Beschichtungssystems zu einem bestimmten Korrosionsschutz-Regelsystem definiert dann auch, ob der bei den späteren Sanierungsarbeiten anfallende Strahlschutt wahrscheinlich als gefährlicher Abfall (Abfallschlüsselnummer 120 116*) oder eher als nicht gefährlicher Abfall (Abfallschlüsselnummer 120 117) deponiert werden muss oder ggf. sogar verwertet werden kann.

Gemeinsam mit den ggf. zu planenden Arbeits- und Umweltschutzmaßnahmen (abgesaugte Einhausung, PSA, Schwarz-Weiß-Bereiche…) fallen hier möglicherweise nicht unerhebliche Mehrkosten für die (Untertage-)Deponierung von gefährlichem Abfall an.

Die entsprechenden Fachleute und Gutachter der CorroConcept Korrosionsschutz Dresden GmbH blicken auf eine lange Erfahrung bei der Beprobung, Analyse und Einschätzung des Gefährdungspotenzials von Altbeschichtungsstoffen zurück. Wir führen Untersuchungen auf Schadstoffe wie Blei in Beschichtungen schon seit vielen Jahren durch. Gern unterstützen wir Sie daher bei solchen Problemstellungen. Fragen Sie uns einfach an.

Fragen? Wir beraten Sie gerne.

Dr. Jürgen Triebert, CEO CorroConcept

Dr. Jürgen Triebert

Geschäftsführer

Mehr Beiträge aus unserer Reihe „Blei im Korrosionsschutz“:

Titelbild für den Blog-Beitrag Blei im Korrosionsschutz - Teil 1: Gefahreneinstufung von Blei

Gefahreneinstufung von Blei (Teil 1)

Teil 1 unserer Beitragsreihe „Blei im Korrosionsschutz“ zum Thema Gefahreneinstufung von Blei und geltenden
Richtlinien und Verordnungen

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Bleifrei Verzinken
(Teil 2)

Teil 2 unserer Beitragsreihe „Blei im Korrosionsschutz“ zum Thema bleifrei Verzinken und der Bedeutung von Blei beim Feuerverzinken (Stückverzinken) von Stahl.

Beitragsbild zum Blogbeitrag Blei im Korrosionsschutz - Teil 2: Bleifrei Verzinken

Blei im Trinkwasser
(Teil 3)

Teil 3 unserer Beitragsreihe „Blei im Korrosionsschutz“ zum Thema Blei im Trinkwasser und der Entwicklung hin zu bleifreien Werkstoffen in der Trinkwasserinstallation

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