In unserer Reihe „Blei im Korrosionsschutz“ befassen wir uns mit der Bedeutung von Blei für unterschiedliche Fachgebiete des Korrosionsschutzes und den Auswirkungen der Reduzierung von Blei-Grenzwerten auf betroffene Branchen. In Teil 1 der Reihe haben wir Richtlinien und Verordnungen im Zusammenhang mit der Gefahreneinstufung von Blei zusammengefasst, in Teil 2 haben wir das Thema Bleifrei Verzinken genauer beleuchtet. Nun widmen wir uns dem Thema Blei im Trinkwasser.
Einwandfreies Trinkwasser: Vom Wasserwerk bis zum Hahn
Trinkwasser ist ein schützenswertes Lebensmittel, das aufgrund hoher, regelmäßig geprüfter Qualitätsanforderungen in Deutschland bedenkenlos aus der Leitung getrunken werden kann. Auf dem Weg vom Wasserwerk bis zum Wasserhahn durchläuft das aufbereitete Trinkwasser häufig mehrere Kilometer im Wasserverteilungsnetz bis in die Hausinstallation und schlussendlich zum Hahn. Dabei kommt es zu Wechselwirkungen zwischen dem Wasser und den verwendeten Leitungsmaterialien. Das hat zur Folge, dass sich einzelne Wasserparameter auf dem Weg vom Wasserwerk zum Hahn verändern.
Eine Überschreitung von Grenzwerten gemäß der Trinkwasserverordnung (TrinkwV)1 ist hierbei nicht zulässig. Für die Kontrolle der Trinkwasserqualität vom Wasserwerk bis zum Hausanschluss sind die jeweiligen Wasserversorger verantwortlich. Die Überprüfung der Trinkwasserqualität ab der Übergabestelle in der Hausinstallation erfolgt über die Eigentümer.
Blei im Werkstoff vs. Blei im Trinkwasser
In den vergangenen Beiträgen aus unserer Reihe „Blei im Korrosionsschutz“ sind wir auf die geltenden Blei-Grenzwerte eingegangen. Diese werden oft als maximal zulässiger Gehalt in Masseprozent (Ma-%) angegeben. Für Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser wurde ein anderer Ansatz für die Reglementierung des Bleigehalts gewählt. Das hängt damit zusammen, dass sich die Blei-Abgabe bzw. allgemein die Schwermetallmigration metallischer Werkstoffe nicht immer proportional zum Gehalt des jeweiligen Schwermetalls in der Legierung verhält.
Daher wird zum Schutz des Trinkwassers die konkrete Bleimigration der jeweiligen Werkstoffe im Kontakt mit unterschiedlichen Trinkwässern bewertet. Für die Prüfung der hygienischen Unbedenklichkeit werden jedoch nicht direkt die Grenzwerte laut TrinkwV als zulässige Maximalwerte herangezogen. Bis auf die Ausnahmen von Kupfer und Zink, dürfen die Werkstoffe nur 50 % des Grenzwertes laut TrinkwV in das Trinkwasser abgeben. Dieser Maximalwert in Höhe von 50 % bzw. im Fall von Kupfer und Zink 90 % des Grenzwertes laut TrinkwV wird als der Parameterwert bezeichnet.
Diese Unterscheidung zwischen Grenzwert laut TrinkwV und Parameterwert für die hygienische Prüfung rührt daher, dass neben der Hausinstallation auch andere Quellen für die Schwermetallmigration in Betracht gezogen werden müssen. Nur die Werkstoffe, die diesen Paraneterwert einhalten, werden für den Einsatz in der Trinkwasserinstallation zugelassen.
Ein zusätzlicher Bewertungsfaktor dient dazu, den Anteil der wasserberührten Oberfläche der Teile aus der Produktgruppe, für die der Werkstoff zugelassen werden soll, an der wasserberührten Oberfläche einer Trinkwasserinstallation einfließen zu lassen. So werden die tatsächlichen Migrationswerte aus der hygienischen Prüfung nach DIN EN 15664-1 mit dem Faktor 0,1 (Produktgruppe B) bzw. 0,01 (Produktgruppe C) multipliziert. Für Rohrwerkstoffe beträgt der Bewertungsfaktor 1. Details zu den Prüfbedingungen und Bewertungsmethoden sind der „Bewertungsgrundlage für metallene Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser“ des Umweltbundesamtes 4 und den entsprechenden Normen zu entnehmen.
Im Sinne der Gesundheit: Reduzierung des Grenzwertes für Blei im Trinkwasser
Der Grenzwert für Blei im Trinkwasser hat sich über die vergangenen Jahre deutlich reduziert. Derzeit liegt der Grenzwert für Blei bei 10 µg/L1. Gemäß der aktuell gültigen TrinkwV 2023 ist ab 12. Januar 2028 eine weitere Absenkung des Grenzwertes auf 5 µg/L vorgesehen. Metallische Produkte im Kontakt mit Trinkwasser dürfen derzeit also nicht mehr als 5 µg/L und ab 12. Januar 2028 nicht mehr als 2,5 µg/L Blei in das Trinkwasser abgeben.
Der Nachweis der Einhaltung dieser Grenzwerte, also der hygienischen Unbedenklichkeit, erfolgt weitgehend über realitätsnahe Prüfungen über mindestens 26 Wochen unter Stagnations- und Spülbedingungen in Prüfständen gemäß DIN EN 15644-1 im Kontakt mit genormten Wässern nach DIN EN 15664-2. In Einzelfällen reichen statt der Prüfungen gutachterliche Stellungnahmen.
Welche Werkstoffe dürfen für Produkte in der Trinkwasserinstallation eingesetzt werden?
Bis zur Harmonisierung der trinkwasserhygienischen Zulassung von metallischen Werkstoffen für den Einsatz in der Trinkwasserinstallation auf EU-Ebene sind die in Deutschland im Trinkwasser zugelassenen Werkstoffe auf der Positivliste des Umweltbundesamtes (UBA) 4 zusammengetragen. Die Positivliste wird in regelmäßigen Abständen überarbeitet. Zur fachlichen Beratung hat das UBA das Fachgremium „Metallene Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser“ einberufen. Das Gremium setzt sich aus unabhängigen Expertinnen und Experten zusammen, die anhand der Untersuchungsergebnisse abgeschlossener Prüfungen nach DIN EN 15664-1 oder gutachterlicher Stellungnahmen Empfehlungen über die Aufnahme neuer Werkstoffe in die Positivliste abgeben.
Woher kommt Blei im Trinkwasser?
Für den Eintrag von Blei in das Trinkwasser stehen hauptsächlich folgende Werkstoffe im Fokus:
- Bleileitungen,
- Verzinkter Stahl (schmelztauchverzinkte Eisenwerkstoffe) und
- Kupferlegierungen.
Bleileitung war gestern
Im Zuge der Absenkung des Grenzwertes für Blei im Trinkwasser ist im Rahmen der aktuellen Trinkwasserverordnung (TrinkwV 20231) ab 12. Januar 2026 ein Verbot von Bleileitungen für die Verteilung von Trinkwasser vorgesehen. Damit wird gegen eine bedeutende Quelle für den Eintrag von gesundheitsgefährdendem Blei in das Trinkwasser vorgegangen.
Laut Abschätzung des Umweltbundesamtes 2, die auf einer Datenerhebung aus dem Jahr 2021 basiert, sind in Deutschland derzeit noch ca. 0,08 % der Hauswasseranschlüsse als Bleileitung ausgeführt. Die absolute Zahl an Bleileitungen in Hauswasseranschlüssen wurde in dem Bericht mit 15.000 abgeschätzt. Die Abschätzung der nach dem Hauswasseranschluss in Gebäuden noch verbauten Bleileitungen ist mit höherer Unsicherheit behaftet und wird auf ca. 0,20 % geschätzt. Mit dem Verbot wird damit Klarheit für den Ersatz dieser Restbestände an Bleileitungen geschaffen.
Neben den Bleileitungen kommt Blei auch als Legierungselement in anderen Werkstoffen zum Einsatz, die in der Trinkwasserinstallation verwendet werden bzw. wurden: schmelztauchverzinkter Stahl und Kupferlegierungen. Die nachfolgenden Abschnitte gehen auf deren bisherige und heutige Bedeutung in der Trinkwasserinstallation ein.
Verzinkter Stahl in der Trinkwasserinstallation: Teilweise erlaubt aber weitgehend verdrängt
In unserem Beitrag „Bleifrei Verzinken“ aus der Reihe „Blei im Korrosionsschutz“ sind wir bereits darauf eingegangen, dass heutzutage weitgehend bleifrei verzinkt wird. Der Eintrag von Blei in das Trinkwasser wäre durch die Verwendung schmelztauchverzinkter Stahlrohre also erwartungsgemäß gering. In der Positivliste der trinkwasserhygienisch geeigneten metallenen Werkstoffe des Umweltbundesamtes ist ein maximal zulässiger Bleigehalt des Zinküberzugs von 0,05 Ma-% für Rohre bzw. 0,10 Ma-% für Armaturen, Fittinge etc. vorgegeben.
Verzinkte Rohre, die diese Vorgaben erfüllen, sind weiterhin für den Einsatz in der Kaltwasserinstallation in bestimmten Versorgungsgebieten zugelassen. Vorgaben für die Wasserqualität sind in der DIN EN 12502-3 enthalten. Aufgrund der eingeschränkten Verwendbarkeit je nach Wasserbeschaffenheit und der Korrosionsanfälligkeit in Mischinstallationen mit Kupferwerkstoffen, wurden Produkte aus verzinktem Stahl jedoch auch ohne Verbot weitgehend aus der Trinkwasserinstallation verdrängt und finden sich, wenn überhaupt, noch vereinzelt im Altbestand in Hausinstallationen.
Kupferlegierungen in der Trinkwasserinstallation: Bleifrei ist die Zukunft
Blei findet auch als Legierungselement in Kupferlegierungen Anwendung. Insbesondere Kupfer-Zink-Legierungen (das sogenannte Messing) und Kupfer-Zinn-Zink-Legierungen (der sogenannte Rotguss) werden häufig als Werkstoffe für Armaturen und Fittinge eingesetzt. Das hat folgende Gründe:
- Kupferlegierungen überzeugen durch ihre Bearbeitbarkeit.
Die Werkstoffgruppe der Messinge umfasst eine vielfältige Bandbreite an Knet- und Gusslegierungen, die sich je nach Zusammensetzung und Gefügezustand gut kalt- oder warmumformen bzw. gut spanend bearbeiten lassen. Das ermöglicht eine breite Produktpalette von Anbohrarmaturen im Verteilungsnetz über Wasserzähler-Gehäuse, Absperrarmaturen und T-Stücke in der Hauswasserinstallation bis hin zu kleinen Komponenten wie Oberteilen in Mischarmaturen. - Kupferlegierungen sind korrosionsbeständig.
Kupferlegierungen gehören zu den Deckschichtbildnern. Das bedeutet, dass sich im Laufe der ersten Wochen nach der Inbetriebnahme einer neuen Installation eine schützende Schicht aus Kupferoxid oder basischem Kupfercarbonat auf der wasserberührten Oberfläche bildet. Für eine gute Deckschichtbildung ist, neben den Installations- und Betriebsbedingungen, vor allem die Eignung des anliegenden Trinkwassers entscheidend. - Kupferlegierungen sind recyclingfähig. Kupfer-Zink-Legierungen weisen eine Recyclingrate von über 90 % 3 auf. Dabei beginnt das Recycling schon während der Fertigung, indem die Späne in Recyclingkreisläufen zurückgeführt und wieder eingeschmolzen werden.
In herkömmlichen bleihaltigen Kupferlegierungen wie Messing und Rotguss liegen die Bleigehalte im Bereich von ca. 1 – 2,5 Ma-% bzw. bis zu 3 Ma-%. Die regulatorischen Entwicklungen bewirkten die Einführung bleireduzierter und schließlich bleifreier Kupfer-Zink-Legierungen für Sanitärarmaturen und Fittinge. Diese wurden, wie oben beschrieben, eingehend auf ihre hygienische Unbedenklichkeit geprüft und bei Einhaltung der aktuellen Grenzwerte in die UBA-Liste aufgenommen.
Mit dem Inkrafttreten des Blei-Grenzwertes von 5 µg/L ab 12. Januar 2028 wird ein Teil der noch auf der Positivliste des Umweltbundesamtes gelisteten Werkstoffe aufgrund zu hoher Blei-Migrationswerte ab dann nicht mehr für den Einsatz im Kontakt mit Trinkwasser zugelassen sein. Dazu zählen u.a. auch die häufig eingesetzten, gut erprobten bleihaltigen Legierungen CW617N (Knetlegierung, CuZn40Pb2) oder CC770S (Gusslegierung, CuZn36Pb-C). Um die eigene Produktpalette für die Trinkwasserinstallation aus hygienischer Sicht zukunftssicher zu gestalten, ist ein Blick in die UBA-Liste 4 bzw. die Europäische Positivliste 5 damit unabdingbar.
Neben der hygienischen Eignung sollte im Zuge des Materialwechsels auch das Korrosionsverhalten der zukünftig zugelassenen Legierungen in Betracht gezogen werden. Hierfür eignen sich größtenteils existierende Kurzzeit-Labortests wie die Prüfung der Entzinkungsbeständigkeit nach DIN EN ISO 6509-1 oder der Spannungsrisskorrosionsbeständigkeit nach DIN 50916-2 bzw. ISO 6957. Für neuere Legierungen, deren Gefüge von dem der herkömmlichen (α+β)-Messinge abweicht, empfehlen sich zusätzliche Untersuchungen wie beispielsweise längerfristig angelegte Prüfungen des Korrosionsverhaltens unter realitätsnahen Bedingungen in Versuchsanlagen. Solche Prüfungen werden von der CorroConcept GmbH angeboten.
Fragen? Wir beraten Sie gerne.
Sie haben Fragen rund um die Materialumstellung zu zukunftssicheren und hygienisch unbedenklichen Werkstoffen? Dann kommen Sie gerne auf uns zu. Unsere Expertin für wasserführende Anlagen, Theresa Klein, berät Sie gerne basierend auf Ihrer mehr als 10-jährigen Erfahrung auf dem Fachgebiet. Sie hat auf diversen Fachtagungen wie der EUROCORR 2017, der CeoCor 2019 und der Copper Alloys 2018 und 2022 Ergebnisse aus FuE-Projekten zum Thema Korrosion bleifreier Messinge im Kontakt mit Trinkwasser präsentiert. Theresa Klein ist berufenes Mitglied des UBA-Fachgremiums „Metallene Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser“.

Theresa Klein
GeschäftsführerinMehr Beiträge aus unserer Reihe „Blei im Korrosionsschutz“:
- Trinkwasserverordnung vom 20. Juni 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 159, S. 2) 2023. TrinkwV 2023. URL: https://www.gesetze-im-internet.de/trinkwv_2023/TrinkwV.pdf
- UBA (2023): „Abschätzung der in Deutschland noch vorhandenen Bleileitungen“. TEXTE 74/2023. Abschlussbericht. URL: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11850/publikationen/74_2023_texte_bleileitungen_barrierefrei.pdf
- Deutsches Kupferinstitut (2001): Messing- Ein moderner Werkstoff mit langer Tradition“. Informationsbroschüre. Überarbeitete Auflage 01/2001. URL: https://kupfer.de/wp-content/uploads/2019/09/i_messing02.pdf
- UBA (2025): „Bewertungsgrundlage für metallene Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser“. URL: https://www.umweltbundesamt.de/dokument/bewertungsgrundlage-fuer-metallene-werkstoffe-im-0
- Durchführungsbeschluss (EU) 2024/367 der Kommission vom 23. Januar 2024 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Richtlinie (EU) 2020/2184 des Europäischen Parlaments und des Rates durch Erstellung der europäischen Positivlisten von Ausgangsstoffen, Zusammensetzungen und Bestandteilen, die für die Verwendung bei der Herstellung von Materialien bzw. Werkstoffen oder Produkten, die mit Wasser für den menschlichen Gebrauch in Kontakt kommen, zugelassen sind. URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32024D0367



